Römische Gebrauchsgegenstände, wie diese Lampe, sind Bildträger des von Octavian-Augustus geschaffenen Herrschaftsmythos. Sie passen sich auf diese Weise neuen politischen Strömungen an.
Der Spiegel dieser Tonlampe bezieht sich auf die Ahnenschaft des Aeneas. Die vollständige Darstellung – nach einem Lampenspiegel im Britischen Museum London erläutert – zeigt die Flucht des Aeneas aus dem brennenden Troia: Aeneas in Rüstung schreitet nach rechts. Auf der linken Schulter trägt er seinen Vater, den gelähmten Anchises. Rechts führt er seinen Sohn Ascanios (Iulus) an der Hand. Im Hintergrund sehen wir angedeutete Tempel.
Der Begriff der pietas – Frömmigkeit, Pflicht, Liebe gegenüber dem Vater oder auch Vaterlandsliebe – greift einen wichtigen Aspekt in Augustus’ Herrschaftsmythos auf; in der als römischem Nationalepos bezeichneten "Aeneis" stellt er sogar das Leitmotiv dar. Hierin hatte der Dichter Vergil (70–19 v. Chr.) die Flucht des Aeneas aus dem brennenden Troia und seine anschließenden Irrfahrten verewigt. So wie Aeneas sich gegenüber seinem alten und gelähmten Vater Pflicht ergeben zeigt und ihn aus dem brennenden Troia rettet, zeigt sich Augustus nicht nur seinem (Adoptiv-)Vater Caesar, sondern auch seinen ältesten Ahnen gegenüber ergeben. Die augusteische Restaurationspolitik zielte u. a. genau auf diese Pflichtergebenheit ab.
Die pietas wurde der wichtigste kulturpolitische Programmpunkt der augusteischen Zeit. Dieses dokumentiert der Ehrenschild für Augustus mit der Formulierung "pietatisque erga deos patriamque" ("Frömmigkeit gegenüber den Göttern und dem Vaterland").
Der römische Senat hatte diese Ehrenbezeugung beschlossen und den Schild 26 v. Chr. im Tagungsort des Senates, der curia aufstellen lassen. Der bildliche und dauerhaft sichtbare Hinweis auf die pietas machte daher auch nicht vor Gegenständen des täglichen Lebens Halt. Massenerzeugnisse wie Tonlampen trugen auf diese Weise die Botschaft der pietas bis in die Wohnstuben der römischen Bevölkerung. (AVS)
Ehem. Sammlung August Kestner, Rom