museum-digitalniedersachsen
CTRL + Y
en
Herzog Anton Ulrich-Museum Turcica [VO Ker 27]
Zwei Wandfliesen (Herzog Anton Ulrich-Museum CC BY-NC-SA)
Provenance/Rights: Herzog Anton Ulrich-Museum / Claus Cordes (CC BY-NC-SA)
1 / 1 Previous<- Next->

Zwei Wandfliesen

Cite this page Data sheet (PDF) Calculate distance to your current location Archived versions Mark for comparison Graph view

Description

Inv.-Nr.: VO Ker 27

Quadratische Wandfliese. Auf weißem Grund befinden sich hellgrüne Ranken mit dunkelblauen, unterschiedlich dargestellten Blüten, einige Details in Violett und Türkis, die dicke Glasur mit kleinen Sprüngen (Craquelé). Beide Fliesen zeigen zusammengelegt ein fortlaufendes Rankenmuster und gehörten wahrscheinlich zu einem größeren, als Wandschmuck dienendem Feld. Der Höhepunkt der Keramikherstellung in Iznik, ehemals Nizäa, ca. 90 km südwestlich von Istanbul, fällt in die Zeit vom Ende des 15. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In diesem Zeitraum und insbesondere während der Regierungszeit Süleymans I., des Prächtigen (1520-1566), stand die gesamte Produktion unter der Kontrolle des osmanischen Hofes, der auch Hauptabnehmer der Keramiken war. Die bewusste Förderung der Keramikherstellung wie auch anderer Gewerbe hatte vor allem die Produktion hochwertiger Erzeugnisse zum Ziel. Die Werkstätten in Iznik konnten auf ältere Traditionen zurückgreifen, wie beispielsweise eine rote Ware mit weißer Engobe und Unterglasurmalerei, die nach ihrem wichtigsten Fundort auch als Milet-Ware bezeichnet wird. Ziel der Umstrukturierung war es anfänglich, eine Keramik herzustellen, die dem chinesischen Blau-Weiß-Porzellan möglichst ähnlich war. Ausgangspunkt war eine mit verschiedenen Zutaten vermischte Tonerde, durch die ein heller und sehr fester Scherben gebrannt werden konnte, der auch als Fritten- oder Weichporzellan bezeichnet wird. Zusätzlich mit einer Engobe aus rein weißem Ton versehen, konnte so der Eindruck von Porzellan entstehen. Nach dem ersten Brand wurde die Keramik mit einer Unterglasurmalerei und der Glasur versehen. In der frühesten Phase der Iznik-Keramik wurde für diese Bemalung lediglich die Farbe Kobaltblau verwendet. Nach einem 1510 datierten und mit dem Namen des Handwerkers versehenen Stück wird diese Keramik auch als Abraham-von-Kütaha-Ware bezeichnet. Im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts kam als weitere Farbe Türkis hinzu. Diese Keramiken werden auch als Goldenes-Horn-Ware bezeichnet, da sie vermehrt bei Ausgrabungen in Istanbul gefunden wurden. Noch vor 1550 wurde außerdem ein auf Chrom basierendes schwarzes Pigment verwendet, mit dem sehr feine Konturen gezogen werden konnten. Weitere ergänzende Farben waren schließlich ein helles Violett und ein gräuliches Grün. Die vierfarbige Keramik wird auch als Damaskus-Ware bezeichnet, da sie u. a. an Moscheen in Damaskus und am Felsendom in Jerusalem verwendet wurde. Nach 1555 kam ein leuchtendes, dickflüssiges Rot aus einer eisenhaltigen Tonerde dazu, das Bolus-Rot, das auf der Keramik etwas erhaben hervortritt. In den späten 1560er Jahren wurde als letzte Farbe ein durchscheinendes Smaragdgrün der Palette hinzugefügt. Diese bunte Keramik wurde auch als Rhodos-Ware bezeichnet, ebenfalls nach dem Fundort, an dem sie das erste Mal gehäuft in Erscheinung trat. Die Zusammensetzung der Farben und insbesondere des Bolus-Rot waren streng gehütete Geheimnisse, die vermutlich nur innerhalb der einzelnen Handwerkerfamilien weitergegeben wurden. Als Glasur diente der Iznik-Keramik eine glasige Frittenmasse, der Blei als Flussmittel zugesetzt wurde. Das Ergebnis war ein glänzender, transparenter Überzug, durch den die Farben der Bemalung noch betont wurden. Neben Gebrauchskeramik wurden in Iznik vor allem Fliesen für die Ausgestaltung und Renovierung öffentlicher Gebäude, Moscheen und Paläste hergestellt. Die meist quadratischen Fliesen hatten eine durchschnittliche Größe von ca. 24 x 24 cm und waren 2-3 cm stark. Entsprechend ihrer Verwendung waren die Motive dem Geschmack und den Vorstellungen des Hofes angepasst und gingen häufig auf Metallarbeiten zurück. Mit der Erweiterung der Farbpalette wurden ab 1530 vor allem verschiedene Blumen und Pflanzen dargestellt. Ab 1535 trat ein großes gefiedertes Blatt auf, das auf mittelalterliche Akanthusformen zurückging und in Verbindung mit typischen Blumenarrangements für den sogenannten saz-Stil charakteristisch war. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts waren es vor allem realistische Darstellungen von Blüten wie Tulpen, Nelken, Narzissen, Rosen, Lilien und anderen, die mit den älteren, auf chinesischen Einfluss zurückgehenden Blütenranken kombiniert wurden. Typisch waren auch Fiederblätter in Grün- und Blautönen, teilweise mit kleineren Blüten besetzt. Die Muster waren meist streng geometrisch aufgebaut und bildeten auf den Fliesen einen unendlichen Rapport, netzartige Rauten und Quadratmuster. Der symmetrische Dekor wiederholte sich auch bei den Geschirren, wobei das Muster häufig vom typischen saz-Blatt diagonal überschnitten wurde. Ein plastischer Eindruck oder eine Tiefenwirkung wurden dabei generell nicht angestrebt. Die auf Vorlagen beruhenden Motive, die in den Zeichenateliers des Istanbuler Hofes entwickelt worden waren, ließen wenig Raum für eine freie Gestaltung. Neben einfachen Vorlagen, die der Verwendung entsprechend variiert werden konnten, gab es für den Bauschmuck auch Vorlagen in Originalgröße, die als Karton bezeichnet werden. Iznik-Keramik wurde in große Teile Vorderasiens und auch nach Europa exportiert. Ihre große Beliebtheit führte schließlich dazu, dass sie in italienischen Werkstätten nachgeahmt wurde, wobei diese Ware qualitativ nicht an das Vorbild heranreichte. Der Niedergang der Produktion in Iznik setzte zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein. Die Hauptursache hierfür war der Wertverfall des Geldes, so dass der Hof in Istanbul die von ihm in Auftrag gegebenen Keramiken nicht mehr in angemessener Weise bezahlen konnte. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts, in dem auch die Qualität der Keramiken zunehmend schlechter und die verwendete Farbskala auf Blau- und Grüntöne reduziert wurde, sank die Anzahl der Werkstätten von über 300 auf 9 herab. Zum Ende des 17. Jahrhunderts kam die Produktion schließlich ganz zum Erliegen. (Schmitz, Claudia: Ethnographica in Braunschweig, hrsg. von Regine Marth (Sammlungskataloge des Herzog Anton Ulrich-Museums, Braunschweig; Bd. 19), Dresden 2016, S. 304, Kat. Nr. 438)

Material/Technique

Quarz-Fritte-Keramik mit Unterglasurmalerei

Measurements

23 x 23 cm, T 2 cm

Literature

  • Claudia Schmitz (2016): Ethnographica in Braunschweig. , S. 304, Kat. Nr. 438
Map
Herzog Anton Ulrich-Museum

Object from: Herzog Anton Ulrich-Museum

Das Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig gehört zu den bedeutendsten und vielseitigsten Kunstmuseen Deutschlands. Namensgeber ist Herzog Anton...

[Last update: ]

Usage and citation

The textual information presented here is free for non-commercial usage if the source is named. (Creative Commons Lizenz 3.0, by-nc-sa) Please name as source not only the internet representation but also the name of the museum.
Rights for the images are shown below the large images (which are accessible by clicking on the smaller images). If nothing different is mentioned there the same regulation as for textual information applies.
Any commercial usage of text or image demands communication with the museum.