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Becher

Herzog Anton Ulrich-Museum Turcica [VO 11]
Becher (Herzog Anton Ulrich-Museum CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Herzog Anton Ulrich-Museum / Claus Cordes (CC BY-NC-SA)
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Beschreibung

Inv.-Nr.: VO 11

Konischer, im Querschnitt ovaler Becher aus Rhinozeroshorn. Das untere Ende ist knaufartig abgesetzt und weist eine kleine runde Vertiefung im Zentrum und zwei kleine gegenständige Löcher an den Seiten auf, die möglicherweise auf die ehemalige Montierung eines Fußes aus anderem Material schließen lassen. Im Inneren sind am Boden des Bechers Bearbeitungsspuren erkennbar. Die äußere Wandung ist unterhalb eines schmalen unverzierten Streifens an der Mündung bis hinunter zum abgesetzten Knauf mit drei tief eingeschnitzten, umlaufenden Dekorbändern verziert. Das obere und untere Band ist in Quadrate gegliedert, denen eine Raute mit einem Kreuz, das an eine vierblättrige Blüte erinnert, eingeschrieben ist. Einzelne Quadrate der beiden Bänder sind mit zwei sich kreuzenden Diagonalen beschnitzt, wobei sich in zwei der so entstandenen dreieckigen Felder jeweils ein halbes Kreuzmotiv befindet. Das Muster des mittleren Bandes besteht aus ineinandergreifenden Dreiecken mit einer kleinen Raute an der Basis, die den Armen des Kreuzmotivs ähnelt. Die außergewöhnliche Schnitzkunst Nuristans findet sich vor allem in der Architektur, z. B. an Hausfronten, Stützbalken und oberirdischen Grabstätten, Gedächtnisschnitzereien und einigen wenigen Prestigeobjekten, in reduzierter Form aber auch auf kleineren Haushaltsgegenständen. Außer einigen gegenständlichen Darstellungen, wie den Köpfen von Ziegen und Menschen, traten vor allem geometrische Motive mit symbolischer Bedeutung auf, deren Verwendung bis zur Islamisierung der Region in den Jahren 1896-1900 nur Männern mit hohem sozialem Ansehen vorbehalten war, während die Schnitzereien selbst von abhängigen, sozial untergeordneten Handwerkern (bāri) auf Bestellung angefertigt wurden. Neben ihrer allgemeinen Bedeutung als Status-, Rang- oder Fruchtbarkeitssymbole, lassen sich die einzelnen Motive der Schnitzerei kaum deuten. Noch heute gibt es in der Region drei Sprachgruppen, die sich auch in ihrem künstlerischen Schaffen und in der Anwendung und Interpretation einzelner Motive und Symbole unterscheiden. Ebenso brachte die Abgeschiedenheit einzelner Täler, Talabschnitte und Dörfer eine große kulturelle Vielfalt hervor, die zu einer weiteren Aufsplitterung in der Deutung der einzelnen Schnitzereien führte. Hinzu kommt, dass mit dem Wandel der religiösen und sozialen Grundlagen infolge der Islamisierung auch das Wissen um die Bedeutung der Motive, die nur noch als Schmuckelemente verwendet wurden, allmählich verlorenging. Becher aus Rhinozeroshorn waren von beträchtlichem Wert, da ihnen allgemein die Eigenschaft zugeschrieben wurde, Gifte anzuzeigen bzw. zu neutralisieren. Der Ursprung dieser Vorstellung wird in Indien vermutet, von wo sie sich über die Handelswege nach Südostasien, den Vorderen Orient, das östliche und nordöstliche Afrika und schließlich bis Europa ausbreitete. Im weiteren Verlauf wurden Rhinozeroshorn weitere Eigenschaften zugeschrieben. So wurden z. B. kleine Späne des Horns zu den unterschiedlichsten medizinischen Zwecken oder als Aphrodisiakum verwendet. Der Großteil des Rohmaterials für die Becher wurde aus Ost- und Nordostafrika bezogen und erst in den einzelnen Regionen dem herrschenden Geschmack entsprechend beschnitzt und teilweise weiterverkauft. Die geometrischen Muster des hier vorgestellten Bechers unterscheiden sich deutlich von Stücken aus anderen Regionen, z. B. China. Für Nuristan sind sie aber ein deutlicher Hinweis auf die Funktion des Bechers als Prestigeobjekt. Die Seltenheit des Materials bestätigt darüberhinaus diesen hohen Wert. Kostbare Pokale, die in speziellen dreibeinigen Ständern aufbewahrt wurden, dienten dem Genuss von Wein, der aus einer Wildrebe, unter Berücksichtigung bestimmter Zeremonien, in der Region selbst hergestellt wurde. Die Gestaltung eines Gefäßes korrespondierte mit dessen Wert, der in einer genau festgelegten Anzahl von Ziegen bemessen wurde; beides spiegelte die gesellschaftliche Stellung seines Besitzers wider. Für die Gestaltung war das Material, überliefert sind Gold, Silber und Holz, die Art der Verzierung und die Form mit oder ohne Fuß maßgeblich. Von den wertvollsten Gefäßen wurde auch angenommen, dass sie von mythischen Wesen, die in bestimmten Seen lebten, hergestellt worden waren. Anlässe für ihre Verwendung waren rituelle Feste, mit deren Ausrichtung ein Mann sein soziales Ansehen steigern konnte, Gedenkfeste und religiöse Zeremonien. Daneben konnten sie auch Bestandteil eines Brautpreises oder einer Mitgift sein. Mit der Islamisierung verloren die Becher ihre Funktion und nur wenige haben sich bis in die heutige Zeit hinein erhalten. Dabei handelt es sich, vom hier beschriebenen Becher abgesehen, ausschließlich um Pokale aus Silberlegierung, die mit einfachen geometrischen Mustern verziert sind und eine Höhe und einen Durchmesser von ca. 20 cm haben. Zu einer möglichen Provenienz des Bechers aus der Kunstkammer Ferdinand Albrechts in Bevern s. Fußnote 10 auf S. 15. (Schmitz, Claudia: Ethnographica in Braunschweig, hrsg. von Regine Marth (Sammlungskataloge des Herzog Anton Ulrich-Museums, Braunschweig; Bd. 19), Dresden 2016, S. 359, Kat. Nr. 529)

Material/Technik

Rhinozeroshorn

Maße

H 5,8 cm, B 10,5 cm, T 8,1 cm

Literatur

  • Claudia Schmitz (2016): Ethnographica in Braunschweig. , S. 359, Kat. Nr. 529
Herzog Anton Ulrich-Museum

Objekt aus: Herzog Anton Ulrich-Museum

Das Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig gehört zu den bedeutendsten und vielseitigsten Kunstmuseen Deutschlands. Namensgeber ist Herzog Anton...

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